Zen (chinesisch Chan) ist eine buddhistische Strömung, deren Inhaltsschwerpunkte auch in anderen fernöstlichen Philosophien wie dem Advaita Vedanta oder dem Daoismus zu finden sind. Zen meint eine tiefgreifende spirituelle Erfahrung des "zeitlosen Seins".

Dieses allgegenwärtige JETZT ist so grundlegend anders, dass es nur erfahren, nicht aber beschrieben werden kann.

Für die Beschreibung der Entdeckung des "zeitlosen Seins ohne Ich" fehlen uns schlicht die Worte, weil Sprache zur Beschreibung der für uns "normalen" dualistisch wahrgenommenen Welt dualistisch aufgebaut ist. Daher arbeitet man mit indirekten Hinweisen und Gleichnissen. Man kann zwar alles in Yin und Yang unterteilen. Aber dann beginnt schon das Dilemma: Worin erscheint das alles? Wer nimmt es wahr?

Ein zentraler Aspekt im Zen ist die Aussage dass es nichts anderes als den Augenblick gibt, den gegenwärtigen Moment, das "Jetzt".

Wie so vieles ist nämlich auch Zeit nur eine Illusion. Ein menschliches Konzept, um unsere Erlebniswelt zu strukturieren. Das einzig Ewige ist der Wandel.

Bei genauer Betrachtung unseres Lebens stellt sich heraus: Alle Ereignisse der Welt können immer nur im nachhinein wahrgenommen werden. Unser "Ich Bewusstsein" rennt der Realität hinterher.

Das zeigt, dass dieses "Ich" niemals etwas selbst bewusst oder beeinflussbar entscheidet. Wir halten uns aber für dieses "Ich", personifizieren uns damit. Unsere Wahrnehmung identifiziert sich mit diesem "Ich", hält sich permanent für dieses "Ich", nimmt alles persönlich.

Das Leben lebt sich aber ausschließlich im "Hier und Jetzt". Unsere Entscheidungen und Impulse sind "von uns" nicht willkürlich beeinflussbar. Wir werden gelebt. Jedoch prägen Erfahrungen unser weiteres Handeln.

Zengartenpfad

Was ist das "Ich"?

Sobald Du eine Entscheidung (scheinbar) triffst, ist sie bereits gefallen. Oder? Beobachte es selbst! Sobald eine Idee als Gedanke erscheint, ist die Idee bereits da. Es ist wie morgens beim aufwachen, alles ist schon da. 😎

Spannend werden nun Fragen wie: Woher tauchen unsere Gedanken überhaupt auf? Was sind sie eigentlich und wohin verschwinden sie? Und was "in uns" nimmt sie eigentlich war?

Dieses "Ich" ist im Grunde nur ein putziger eigenmächtiger Dauergedanke. Eine innere Stimme, die Dich jeden Tag von früh an aufs neue in Beschlag nimmt. Ein plappernder Ratgeber zwischen Wahrnehmung und Erleben.

Durch Erfahrungen und Vorurteile beengt, filtert es Deine Wahrnehmung wie eine Internet Suchmaschine die Deinen Browserverlauf ausliest.

Doch im Zustand der Stille, der reinen Wahrnehmung ohne störende Gedankenflut, kann Gegenwart ungefiltert wahrgenommen werden. Es ist die berühmte Pause zwischen den Gedanken. Das Erleben der Echtzeit.

In diesem Zustand kann erfahren werden, dass es so etwas wie ein "Ich" gar nicht gibt. Weder meins, noch Deins noch dass von diesen Milliarden anderen vom "Ich" besessenen, Mensch genannten, Lebewesen. Alles ist letztlich Eins. Nur kann das ein eingeengtes kleines Ich nicht erfassen.

Alan Watts - Der grundlegende Denkfehler unserer Zeit (1971)

Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge dauert ein "Augenblick" ungefähr 30 Millisekunden (3-Sat Doku " 30 Millisekunden - Das ist unsere Gegenwart"). "Verschaltet" im Hirn werden unsere Entscheidungen bereits bis zu zwei Sekunden vor der bewussten Wahrnehmung (u.a. Ap Dijksterhuis: "Das kluge Unbewusste").

„Wenn unser Geist die Ruhe findet, verschwindet er von selbst.“
(Sengcan (Sōsan): Xinxinming)

Das Paradoxon der Schuld:

Gut. Soweit, so interessant. Doch das führt unweigerlich zu dieser Frage: Wenn es kein "Ich" gibt, wer hat denn dann an irgend etwas Schuld?

Du könntest Dich ja nun nach dem erkennen der Erkenntnis aller Erkenntnisse total gehen lassen. Könntest eine Bank ausrauben, Dauerurlaub machen, nur noch auf einem Bein hüpfend einkaufen oder sonst etwas, wofür man "Dich" üblicherweise verantwortlich macht.

Doch Spannende ist: Genau DAS passsiert nicht! Niemand mit einer solch tiefgreifenden Erfahrung dreht plötzlich frei. Komisch, aber es ist so. Warum? Nun, mach Dir darüber keine Sorgen. Es war ja schon so entschieden.

Wie es tatsächlich weitergeht, beschreibt Jack Kornfield sehr schön schon im Titel seines Buches:

"Nach der Erleuchtung: Wäsche waschen und Kartoffeln schälen"

Wir sind Schauspieler in einem längst fertig gedrehten, weit über unsere Vorstellungen hinaus komplexen, Film.

Das Paradoxon der Suche nach dem Selbst:

Wenn Du absichtlich nach Erkenntnissen suchst, wirst Du sie nicht finden. Oder vielleicht zwar finden, aber nicht tief begreifen. Denn dann suchst "Du" ja dann schon wieder nach "Etwas" außerhalb vom "Jetzt". Nach einem zweckgebundenen Ziel in Vergangenheit oder Zukunft.

Paradox ist auch die scheinbar erforderliche Suche nach Deinem Selbst, Deinem wahren Ich. "Erkenne Dich selbst" heißt es da, oder auch "Finde Dein wahres Ich, Deine wahre Bestimmung".

Wie kann sich denn etwas finden wollen, was niemals weg war?

Daher:

"Wenn Du Tee trinkst, trinke nur Tee".
(Shunryu Suzuki)

Die großen Erkenntnisse, die absoluten Wahrheiten brauchen (und können) also gar nicht aktiv gesucht zu werden.

Sie sind schon da. Nur ist der Blick darauf durch Vorstellungen versperrt. Nun, vielleicht findest Du ja auch irgendwann einmal aus Deinem Gedanken Nebel heraus. Wenigstens ab und zu.

Herzlichen Glückwunsch, das Zeug dazu hat Jeder! 😏

k ZEN KreisEnsō (円相, japanisch: Kreis)

Übrigens sorgen ganz viele "Ich'se" auf der ganzen Welt durch Konzepte, Rituale und Egoismen für eine extra Portion Verwirrung. Dem verfällt leider auch die Zen Philosophie und so wird sie, wie auf Wikipedia gut beschrieben, immer mehr "verzweckt". Zen ist nun:

therapeutisch: Zen als Allheilmittel gegen Neurosen und Depressionen. Zen als „eine Art geistiges Valium"

leistungssteigernd: Zen hat konzentrative Energie, die Höchstleistung ermöglicht

attraktivitätssteigernd: christliche Kirchen als alte Institutionen erregen neue Aufmerksamkeit durch das Angebot östlicher Meditationswege

Obwohl Zen so unfassbar einfach und im wahrsten Sinne des Wortes zweck-los ist, wird es gern mit weiteren Zielen angereichert. Und wird damit zum Dies-und-Das-Zen, zum Bindestrich-Zen. Aber nicht zum wahren Zen:

Business-Zen

Therapie-Zen

Wellness-Zen

Street-Zen

Ökologie-Zen

Zen-Kochkurse

last but not least: Trendfarbe Zen

 P.S.: Viele Zitate aus: https://de.wikipedia.org/wiki/Zen

Stille Meditation bei einer TeezeremonieWenn Du magst, so wirf bei Gelegenheit gern einmal einen Blick auf meine Aphorismen Sammlung. Dort findest Du jeden Tag neu gemixte kurze Sprüche. Meistens sind sie ZEN.